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Mittwoch, 25. Oktober 2017

Story ohne Namen Teil 4

Langsam ging ich auf unser Haus zu und öffnete zaghaft die Haustür. Der Geruch der letzten Tage wurde schlimmer. Bisher nahm ich ihn nur unterschwellig wahr, aber heute war es besonders schlimm. Als erstes ging ich in mein Zimmer. Schnell leerte ich meinen Rucksack aus und gleich darauf das Nötigste darin zu verstauen. Darunter war natürlich ein Bild von Bob und meiner Mum. Danach öffnete ich mein Geheimfach: eine lose Diele unter meinem kleinen Teppich vor dem Bett. Hier lagen meine Zeugnisse, mein Ausweis, etwas erspartes - alles was mein lieber Vater nicht in die Hände bekommen sollte. Zum Schluss nahm ich noch meine beste Kleidung aus meinem Schrank. Meinen vollgepackten Rucksack band ich mit einem Seil fest, sodass ich diesen aus meinem Zimmerfenster hinunterlassen konnte. Mein Fluchtplan war nahezu perfekt, und ich sehr nervös. Ein wenig Zeit hatte ich noch eh ich aufbrechen würde. Dann wenn er schläft, dann ist meine Chance. Leise öffnete ich meine Zimmertür, im Haus war es gespenstisch still. Vorsichtig machte ich mich auf den Weg nach unten Richtung Wohnzimmer. Meinen Vater hörte ich bereits, er sprach wie immer leise im Schlaf. Volltrunken. Aber er war nicht im Wohnzimmer. Ich traute meinen Augen kaum, heute war mein Glückstag. Die Schlafzimmertür war ein Spalt weit offen. Mein Herz raste, ein ungutes Gefühl stieg eiskalt über meinen Rücken nach oben. Langsam betrat ich das Schlafzimmer. Dort saß mein Vater schlafend im Sessel vor dem Bett, eine leere Vodkaflasche in der Hand. Er murmelte leise etwas, was ich aber nicht verstehen konnte. Erst dann fiel mein Blick auf das Ehebett. Dort lag sie: meine Mutter. Wie soll ich bloß beschreiben was ich dort sah? Sie lag auf ihrem Bett, blass und eingefallene Wangenknochen. Ihre Augen waren weit aufgerissen, das Nachthemd was sie trug war schmutzig. Auf ihrer Stirn war eine riesige Platzwunde, ihr eigenes Blut klebte ihr angetrockenet im Gesicht. Das Blut war schier überall: auf dem Bett, auf ihrem Kissen, in ihren langen dunklen Haaren. Der süßliche Geruch, vermischt mit dem Geschmack nach Kupfer auf meiner Zunge ließ mich würgen. Ich schlug mir die Hände vor Mund und Nase und trat langsam an ihr Bett. Sie war kalt und steif. Ich konnte meinen Blick einfach nicht von ihr reißen, und da geschah es: mein Vater erhob sich, schlug mir mit der leeren Flasche auf den Kopf. Ich strauchelte zu Boden, warmes Blut lief mir ins Gesicht. Mein Fluchtinstinkt setzte ein und ich rannte zur Tür. Aus Gewohnheit lief ich nach oben in Richtung meines Zimmers, doch mein Vater bekam meinen Knöchel zu fassen. Ich fiel auf die Treppenstufen und er schrie "Ich wollte das nicht! Aber diese Schlampe hörte einfach nicht mehr auf zu schreiben, als du bewusstlos vor der Tür gelegen hast. Sie sollte doch verdammt nochmal einfach nur still sein!" Ich werte mich, das Adrenalin schoss durch meine Adern. Ich schrie "Du Mörder!, du Schwein!" Er zerrte immer mehr an mir, nur langsam krochen wir die Treppe hoch. Hinter mir lallte er "Nun wirst auch du sterben, Penelope." Er sagte das in einer sehr ruhigen Tonlage, so tief, dass es mir eine Gänsehaut bescherte. Panik ergriff Besitz von mir. Mit aller Kraft trat ich nach ihm und traf ihn hart am Kopf. Er fiel nach hinten und kam unsanft am Fuße der Treppe auf. Regungslos lag er dort. Das war meine letzte Chance: Ich rannte nach unten, sprang über ihn. Bevor ich das Haus verließ, musste ich ihr lebewohl sagen. So flitze ich ins Schlafzimmer, küsste meine Mum ein letztes mal. Vorsichtig nahm ich ihre Halskette ab, ein Andenken, welches ich nicht zurücklassen konnte. Es war eine dünne silberne Kette mit einer zarten silbernen Fleur de lis. Dann ging ich, ich würde dieses Haus nun für immer verlassen.
Draußen vor der Tür angekommen holte ich erstmal tief Luft. Mir war gar nicht bewusst, wie lange ich diese angehalten hatte. Ich rannte in den Garten bis ich unter meinem Zimmerfenster stand, band meinen Rucksack vom Seil, setzte ihn auf und marschierte los, nein ich rannte. Ich rannte bis zum Bahnhof. Derweil wiederholte ich immer wieder die Zahlen des Schließfaches. Immer wieder flüsterte ich mir zu "Im Gang links halten, 701.." Ich umfasste die Kette meiner Mutter an meinem Hals, um mir Halt zu verschaffen. Am Bahnhof angekommen, verlangsamte ich mein Tempo um keine Aufmerksamkeit auf mich zu ziehen. Und ich hatte Glück: Ich fand das Schließfach sofort. Ich holte den Schlüssel aus meiner Hosentasche und schloss es auf. In dem Fach befand sich eine etwas größere, schwarze Reisetasche. Sie war etwas schwer, aber nicht zu schwer. Ich schloss das Fach und machte mich auf den Weg zum Schalter um mir einen Fahrschein zu kaufen. Mir fiel ein, dass ich nicht einmal wusste, wohin ich sollte. So beschloss ich mich kurz in die Bahnhofshalle zu setzen und auf die Abfahren zu schauen. Als ich so dasaß fiel mir ein Brief auf, welcher in der Seitentasche der Reisetasche steckte. Vom Verfolgungswahn besessen, sah ich mich erst in der ganzen Halle um, eh ich ihn öffnete. "Liebe Nele, ich hoffe du hast es bis zu diesem Schließfach geschafft. Lauf weg soweit dich deine Füße tragen und beginne ein neues Leben. Ich weiß noch, du hast mir erzählt, wo du studieren möchtest. Ich hoffe es klappt auch. Von meinem Bruder der Sohn lebt dort. Ich hinterlasse dir seine Anschrift. Mein Bruder hat das Studentenhaus gekauft und somit sollte es keine Probleme geben, dir dort ein Zimmer zu besorgen. Die Villa ist nicht zu übersehen und befindet sich in der Schmalen Gasse 34. Sein Sohn weiß bescheid. Er ist nicht einfach, aber ich denke ihr werdet ech schon anfreunden. Viel Glück und pass auf dich auf. "
Ich konnte mein Glück kaum fassen. Es sollte also nur noch ein paar Stunden Zugfahrt dauern, eh ich mein Leben wiederhabe. Schnell stopfe ich den Brief in meine Jackentasche und kaufte mir mein Ticket in die Freiheit. Ich würde sogar den nächsten Zug noch schaffen.

Im Zug angekommen nahm ich in meinem Abteil platz. Dei Neugier, was in der Tasche war, war kaum auszuhalten. Langsam zog ich den Reißverschluss auf. In der Tasche befand sich eine neue Allwetterjacke, zwei neue Jeanshosen, drei Pullover, neue Schuhe. Am Boden der Tasche war ein großer Umschlag. Ich warf einen kurzen Blick hinein: Es war mehr Geld, als er mir für meine Arbeit eigentlich schuldig war! Ich traute meinen Augen kaum. Das würde mir viel Zeit verschaffen, um mir einen Job zu suchen. Glücklich umfasste ich meine Tasche, sank in meinen Sitz zurück und schlief tief und fest ein.

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